Die chinesische Medizin und daher auch die Akupunktur geht von den alles bestimmenden Prinzipien von Yin und Yang aus. Auf ihnen fußt der alten Vorstellung zufolge die ganze Welt. Und damit auch der Mensch als Teil von ihr.
Yin und Yang sind ein Gegensatzpaar, das sich in allen Phänomenen des Universums zu unterschiedlichen Anteilen wiederfindet. Harmonie kann nur herrschen, wenn beide zu annähernd gleichen Teilen ausgeprägt sind. Zu viel Yang ohne Yin macht krank, genauso zu viel Yin ohne Yang. Aber was heißt dies nun?
Sowohl dem Yin, als auch dem Yang sind unterschiedliche Eigenschaften zugeordnet:
Yin ist kalt, Yang ist heiß. Beides sollte einander harmonisch die Waage halten.
Der Winter ist also mehr Yin, der Sommer mehr Yang. Dennoch kann an einem warmen Wintertag zum Yin ein beträchtlicher Yang-Anteil dazukommen. Ein kühler und vielleicht nasser Sommertag hat starke Yin-Anteile. Yin und Yang kommen immer gemeinsam vor. Nur in unterschiedlich starken Ausprägungen.
Feuchtigkeit, wie zum Beispiel kühlender Regen, ist Yin. Trockenheit, die meist durch Hitze entsteht, ist Yang. Pflanzen können nur gedeihen, wenn beides in ausgewogenem Verhältnis zueinander steht. Ähnlich verhält es sich auch beim Menschen: Es gibt Krankheiten, die durch zu viel Kälte und Feuchtigkeit hervorgerufen werden, und wieder andere, die durch Hitze und Trockenheit entstehen.
Yin ist die Nacht, Yang ist der Tag. Beides sollte regelmäßig aufeinander folgen.
In der Nacht sollte man ruhen und schlafen. Ruhe ist Yin. Tagsüber wird gearbeitet, der Mensch ist aktiv. Aktivität ist Yang.
Es gibt Krankheiten, bei denen Motivation, Antrieb und Aktivität stark vermindert sind. Hier ist zu wenig Yang und zu viel Yin. Umgekehrt werden Menschen, die immerzu aktiv sind, ohne entsprechende Ruhepausen einzulegen, ebenfalls krank. Hier liegt dann zu viel Yang, aber zu wenig Yin vor. Gesund bleibt derjenige, bei dem Yin in Form von Ruhe und Yang in Form von Aktivität einander harmonisch abwechseln.
In der Nacht und in Ruhe regeneriert sich der Körper. Auch das Wachstum findet vorwiegend in der Nacht statt. Der Kraftsportler bildet seine Muskeln nicht während des Trainings, sondern in der anschließenden Ruhephase. Deshalb hat Substanz, also alles greifbare, einen Yin-Charakter. Energie hingegen, die für Aktivität benötigt wird, hat einen Yang-Charakter.
Wer zu viel ruht (Yin) und zu viel Nahrung (Yin) zu sich nimmt, legt bekanntlich an Substanz zu (ebenfalls Yin). Oft mangelt es dann an Energie für Aktivitäten (Yang). Umgekehrt führt zu viel Aktivität (Yang), wie zum Beispiel intensiver Leistungssport, zu einem Abbau an Substanz, wenn nicht auf ausreichende Ernährung und ausreichende Ruhephasen Wert gelegt wird. Yin und Yang müssen sich für einen gesunden Zustand immer harmonisch die Waage halten.
Die greifbarste Substanz überhaupt ist die Erde (Yin). Aus ihr wächst die Nahrung, sie ist meistens kühl und feucht (alles Yin). Ihr gegenüber steht der Himmel (Yang), der nicht greifbar ist, von dem aber durch die Sonne Energie in Form von Wärme und Licht (alles Yang) auf die Erde trifft. Dieses Zusammentreffen von Yin und Yang lässt schließlich das Leben und alle Pflanzen auf der Erde sprießen.
Neues Leben in Form eines Kindes sprießt auch, wenn Frau (Yin) und Mann (Yang) zusammentreffen. Wachsen, das heißt an Substanz zulegen (Yin), tut das Kind nicht zufällig im Körper der Frau. Deshalb ist auch das Weibliche eher Yin, das Männliche eher Yang. Frauen leiden häufiger unter Kälte-Problemen (Yin), Männer fühlen sich oft hitzig oder überhitzen leichter, auch im emotionalen Sinne (Yang).
Dennoch muss gesagt werden, dass jede Frau auch unterschiedlich stark ausgeprägte Yang-Anteile in sich trägt, genauso wie jeder Mann unterschiedich viel Yin-Charakter besitzt.
Die vorangeganenen Beispiele sollen nur exemplarisch die Prinzipien von Yin und Yang verdeutlichen, die auf alle Phänomene in der Welt angewandt werden können. Auch alle Geschehnisse im Körper werden von der chinesischen Medizin diesen Prinzipien zugeordnet. Alle Krankheiten haben ihre Wurzel in einer solchen Disharmonie, die durch den Arzt aufgespürt und mithilfe von Akupunktur behandelt werden kann. Das Ziel der Akupunktur ist es immer, einen Yin-Yang-Ausgleich herzustellen. Dafür gibt es am Körper die zwölf Meridiane, die allesamt wieder Yin oder Yang zugeordnet sind.
Die Prinzipien von Yin und Yang finden auch in der Lehre von den fünf Elementen ihren Niederschlag, die ebenfalls eine wichtige Basis in der chinesischen Medizin bildet.